Frühlingstreiben der Rentiere in Schwedisch-Lappland
Die Nächte sind kalt, bitterkalt mit bis zu -20°C. Die die Tage sind sonnig und wieder angenehm warm, mit einigen Plusgraden. Es wird Frühling. Auch hier in Schwedisch Lappland. Langsam, aber unübersehbar.
Vorzeichen des Frühlings - Rentiertreiben
Es gibt Dutzende Vorzeichen des Frühlings in Lappland, und eines der Exotischeren ist das Zusammentreiben der Rentiere.
Jetzt ist der Boden geradezu wie geschaffen um mit den Rentieren neue Weidefläche anzusteuern.
Denn die nächtliche Kälte lässt eine Eiskruste auf dem Schnee entstehen und macht es den Renen somit leichter durch Wälder und über immer noch gefrorene Seen und Flüsse zu gelangen.
Statt Ski und Fuss jetzt Schneemobil und Helikopter
Einst haben die Samen weite Strecken mit Ski und zu Fuss zurückgelegt.
Aber die technische Entwicklung der letzten hundert Jahre ist auch an ihnen nicht vorbeigegangen.
Jetzt sind es Schneemobile und Helikopter die im Winter zum Einsatz kommen und den Samen natürlich die Arbeit erleichtern.
Wo früher Sonne, Mond und Sterne sowie alte Überlieferungen die Pfade und Routen markierten so sind es heute GPS Navigation und moderne Karten.
Das Rentier-Treiben beginnt
Die Sonne lugt schüchtern durch die Wolken.
Sie verheisst wieder einmal einen herrlichen Frühlingswintertag in der Kommune Älvsbyn - Norrbottens Perle.
In den vergangenen Tagen haben die Samen des Udtja Samendorfes bereits begonnen mit Schneemobilen die Herden zusammenzuführen. Vorarbeit für den heutigen Tag.
Jetzt ist schwereres Gerät gefragt.
Ein immer lauter werdendes Knattern durchdringt die Stille am Morgen. Es ist der Helikopter in welchem ich die nächsten Stunden verbringen werde.
Aus dem Cockpit des Helikopters kommt mir Lasse Stokke (54 Jahre) entgegen.
Zusammen mit seinem Bruder Rune (57 Jahre) koordiniert er das Treiben.
Lasse aus der Luft und Rune auf dem Schneemobil im Wald.
Moderne Technik macht die dauerhafte Verständigung via Funk möglich.
In der Luft über Schwedisch Lappland bekommen wir ein riesiges Waldareal präsentiert.
Nun gilt es sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen.
Lasse verfügt über umfassende Geländekenntnis. Routiniert gibt er Anweisungen an den Piloten wo wir nach Renen schauen sollen.
Ein Funkspruch von Rune am Boden leitet uns zu der ersten Gruppe und nun geht das eigentliche Treiben los.
Alle Beteiligten wissen was sie zu tun haben. Der Helikopter treibt die Rene in die gewünschte Richtung - der Wanderroute.
Helikopter-Akrobatik
Plötzlich bricht eine kleinere Gruppe aus und dreht in die entgegengesetzte Richtung ab.
Abrupt bewegt sich der Helikopter in deren Richtung, holt sie ein, bäumt sich drohend vor den Renen auf und treibt sie wieder zurück.
Diese Art Manöver werden wir noch einige Male wiederholen um schliesslich eine Karawane Rene auf dem Weg ziehen zu sehen.
Der Pilot beherrscht seine Maschine, kaum zu glauben welche Sprünge und Flugmanöver er damit machen kann.
Viele Elche
Auf unserem Flug sehen wir ungewöhnlich viele Elche.
Es hiess der harte Winter hat wenig Nahrung geboten und dies könnte ein Problem darstellen.
Zumindest in diesem Waldgebiet ist die Population an Elchen recht hoch. Bei um die 50 hören wir auf zu zählen.
Heisser Kaffee am Rentiergatter
Es wird Zeit den Helikopter zu tanken. Sanft nähern wir uns dem Rentiergatter mitten im Wald.
Am Boden angekommen gibt es für den Helikopter viele Kanister Benzin und für uns heissen Kaffee in einer Hütte. Wir nutzen die Zeit um neue Energie zu tanken und etwas zu plaudern.
Hier lerne ich den Rest der Gruppe kennen.
Anton und Mattias Teilus. Die beiden Zwanzigjährigen sind mit ihren Schneemobilen eifrig dabei die Herde zusammen zuhalten und ggf. entlaufene Tiere wieder zurückzuführen.
So romantisch das ganze auch wirkt, es ist ein echter Knochenjob.
Die Pause war kurz, der Helikopter ist getankt. Wir setzen unsere Arbeit über den Köpfen der der Anderen fort.
Am Boden füllt sich der Weg mit Renen und auch die Herden der Elche werden stets grösser. 13 Tiere in einem Tross – das habe ich bis dato noch nie gesehen.
Auch Bären haben Rentierkälber zum Fressen gern
Lasse berichtet von einem Bären der sich im letzten Sommer vor dem Gatter postierte und dann ein Kalb nach dem anderen riss.
Vom Staat erhielt das Udtja Samendorf insgesamt 22.600 kr als Ersatz für Raubwildschäden.
Diese Summe war nach 4 Tagen und 16 gerissenen Renkälbern bereits aufgebraucht.
Dieses Jahr sollen alle Renkühe (Vajor) einen Sender erhalten.
Das Samendorf beteiligt sich an einer Studie die das Skandinavischen Bärenprojekt und das Wildschadencenter durchführen.
Ein Projekt zur Bärenüberwachung und deren Schadverhalten gegenüber den Rentierherden.
Die Ergebnisse sollen Aufschluss hierüber geben und belegen dass jährlich bis zu 50 Prozent der Kälber durch Bären zur Strecke gebracht werden.
Mittag - auf dem Speiseplan steht - Rentier
Die Mittagszeit rückt näher. Auf dem Speiseplan steht - Rentier.
Ob getrocknet, geräuchert oder in der Pfanne gebraten. Das sehr aromatische, unverwechselbare Fleisch gehört eben zu den Hauptnahrungsmitteln der Samen.
Man spricht über das Treiben und deren Erfolg. Alte Geschichten machen die Runde und auch das Thema Bär wird oft genannt.
Hier sind Alt und Jung zusammen. Die Generationen verschmelzen.
Für mich ist das Rentiertreiben an dieser Stelle zu Ende.
Doch für Rune und all die anderen geht die Arbeit weiter.
Sie werden in den nächsten Tagen die Herde weiter nach Westen treiben, wo es wärmer ist.
Doch erst einmal sollen sie im Gatter für eine Woche verweilen.
Hier werden sie gewogen und mit den genannten Peilsendern für die Studie die das Skandinavischen Bärenprojekts ausgerüstet.
Udtja sameby – vi ses
Ich verabschiede mich vom Udtja sameby – vi ses.
Der Helikopter steigt auf und ich drehe eine letzte Runde über die Wälder Schwedisch Lapplands.
(Text and Fotos © Marcel Köppe)