Potenziale deutsch-schwedischer Zusammenarbeit nutzen

Die Unterschiede in der deutschen und der schwedischen Geschäftskultur stärken die Wettbewerbsvorteile von Unternehmen, die sie zu nutzen wissen: denn gerade diese Unterschiede sind es, die neue Wege und Lösungsmöglichkeiten eröffnen.

Interkulturelles Management

"Interkulturelles Management" ist heute In aller Munde und interkulturelle Kompetenz wird von Mitarbeitern und Führungskräften gleichermaßen verlangt.

MeetingZwar liegen Deutschland und Schweden geografisch nicht weit auseinander, doch interkulturelle Kompetenz ist auch und gerade für die deutsch-schwedische Zusammenarbeit relevant, denn die vorhandenen kulturellen Unterschiede bergen beides: Risiko und Chance.

Trotz der geografischen Nähe unterscheiden sich nämlich beide Völker stark in ihren nationalen Erfahrungen und den Schlussfolgerungen, die sie daraus ziehen und das hat Auswirkungen im Arbeitsalltag.

Konkurrenzdruck prägt

Seit Jahrhunderten schon ist Deutschland durch eine hohe Bevölkerungsdichte und eine besondere Kleinstaaterei geprägt. Dies bedeutet harten Wettbewerb in den Regionen ebenso wie zwischen den Regionen und mit den Nachbarstaaten.

Menschen, Unternehmen und öffentliche Verwaltungen sind in Deutschland vergleichsweise starker Konkurrenz ausgesetzt mit einem hohen Leistungsdruck.

Von klein auf lernen Deutsche sich zu behaupten. Ob Schule, berufliche Ausbildung, die Geschäftskultur oder die Gesellschaft insgesamt - überall gilt: der Beste gewinnt.

Deutschland ist tendenziell Elite orientiert.

Als Schutzmechanismus gegen diesen starken Leistungsdruck vermeiden Deutsche gern Unsicherheit, etwa indem sie bis ins Detail planen und organisieren - dabei häufig den unternehmerischen Hierarchien folgend - "alles" schriftlich oder vertraglich fixieren.

Die Suche nach Konsens

Im Gegensatz zu Deutschland ist Schweden durch eine geringe Bevölkerungsdichte und eine eher egalitäre Bevölkerungsstruktur geprägt. Die Mehrheit der Schweden war früher Bauer oder Arbeiter, also sozial gesehen in recht gleicher Position. Starke Standesunterschiede wie im kleinstaatlichen Deutschland waren in den meisten schwedischen Regionen nicht sehr ausgeprägt.

Auch Frauen hatten schon seit der Wikingerzeit immer eine starke Position. Sie trugen damals die Verantwortung für Haus und Hof, für Personal, Finanzen, Produktion und Vorratshaltung.

In gewissem Maße bestimmten sie auch die Politik gegenüber den Nachbarn, wenn die Männer monate- und jahrelang auf Viking waren, also auf ihren Handelsreisen bis zum Kaspischen und Schwarzen Meer oder wochenlang in der Waldwirtschaft, auf Fisch- oder Walfang unterwegs.

Diese äußeren Bedingungen und historischen Erfahrungen haben Schweden gelehrt, dass alle Menschen gleich(-berechtigt) sind. Vieles wird nicht so verbissen, sondern stattdessen mit Humor gesehen.

Entscheidungen werden im Konsens getroffen und direkte und harte Kritik wird vermieden. Großen Wert legen Schweden auf die heute so genannten "Soft Skills".

Die jeweils eigenen historischen Erfahrungen prägen Deutsche und Schweden und begünstigen die Herausbildung unterschiedlicher Wertvorstellungen. Grundsätzlich wollen wir alle - ob Deutsche oder Schweden - einen guten Job machen.

Was jedoch jeder einzelne als "gut" empfindet, ist abhängig von seinen Wertvorstellungen, die zu großen Teilen von den unterschiedlichen äußeren Bedingungen, aber auch den verschiedenen historischen Bedingungen bestimmt sind.

Gleiche Fragen - unterschiedliche Antworten

Meist sind uns die eigenen Wertvorstellungen nicht unbedingt bewusst. Wir beschäftigen uns mit der Frage, was richtig oder falsch, gut oder schlecht, normal oder unnormal ist.

Während die Fragen in Deutschland und Schweden die gleichen sind, fallen die Antworten doch recht unterschiedlich aus.

Das spiegelt sich nicht zuletzt in den unterschiedlichen Antworten, die wir auf die Fragen geben, die sich im Zusammenleben in der Familie, aber auch in der Gesellschaft ergeben, bei politischen Themen und natürlich auch in den Unternehmen.

In manchen Bereichen sind die Unterschiede auffällig, in anderen wiederum nicht, weil sie unter der Oberfläche liegen - so wie es das Modell des Eisbergs veranschaulicht.

Mit dem Modell des Eisbergs lassen sich die sichtbaren und die unsichtbaren Komponenten einer Kultur darstellen.

Unterschiedliche Erwartungen an Führungskräfte

Die unterschiedlichen Wertvorstellungen von Deutschen und Schweden werden im Arbeitsalltag zum Beispiel deutlich bei den Antworten auf die Frage, was denn Aufgaben einer guten Führungskraft sind.

PyramideAuch wenn in Deutschland ein kooperativer Führungsstil durchaus vorkommt, werden in einer Antwort auf diese Frage in aller Regel nach wie vor folgende Punkte genannt: Planung, Entscheidung, Aufgabenübertragung, Kontrolle.

Mit guter Planung, klaren Entscheidungen und eindeutigen Zuständigkeiten fühlen sich hierarchisch geprägte Deutsche wohl, sie helfen ihnen Unsicherheit zu vermeiden. Eine entsprechende Vorgehensweise wird hierzulande als richtig und gut empfunden.

Da Schweden davon ausgehen, dass alle Menschen im Großen und Ganzen gleich sind und "Demut" auch im Berufsleben positiv bewerten, kommen sie zu einer anderen Antwort auf die Frage, welche Aufgaben eine gute Führungskraft zu erfüllen hat.

In Schweden sollten Führungskräfte im Team Entscheidungen treffen und verankern, das Potenzial der Teammitglieder erkennen und fördern, für gute Arbeitsbedingungen sorgen und darauf achten, dass sich alle im Team wohl fühlen.

Selbstverständlich verfolgen auch deutsche Führungskräfte solche Ziele, während Schweden umgekehrt auch um gute Planung und Organisation bemüht sein können. In der Regel aber unterscheiden sich Tendenz und Prioritäten bei Deutschen und Schweden.

KreisSchweden fühlen sich wohl, wenn sie sich mit ihrer Kompetenz und ihrer Persönlichkeit in einem Team einbringen können, sie bewerten es positiv Kompromisse zu schließen und selbst aktiv, als Generalist mitwirken zu können.

Die unterschiedlichen Wertvorstellungen führen in den verschiedenen Bereichen eines Unternehmens zu unterschiedlichen Antworten auf so zentrale Fragen wie solche der Mitarbeiterführung, der Meetingkultur, des Projektmanagements, der Entscheidungsfindung, der Kommunikation, der Organisation und des Konfliktmanagements.

Unterschiedliche Erwartungen können Missverständnisse auslösen

Sie begründen unterschiedliche Erwartungen, die ihrerseits Missverständnisse auslösen können.

Wenn sich Menschen ihrer eigenen Wertvorstellungen nicht bewusst sind und etwa davon ausgehen, dass die Unterschiede zwischen Deutschen und Schweden gar nicht existent oder allenfalls gering seien, sind Missverständnisse und Enttäuschungen im Arbeitsalltag häufig die Folge.

Da wird etwa der Schluss gezogen, "die anderen" seien inkompetent oder "unwillig", weil die eigenen, als selbstverständlich empfundenen Erwartungen nicht erfüllt werden.

Eine negative Spirale kann auf diese Weise ausgelöst werden, die schlimmstenfalls in einer K.O.-Situation endet.

Der Austausch von Personal und/oder Führungskräften ist dann häufig die Folge und das schlägt sowohl finanziell als auch im Vertrauensverlust bei Beschäftigten, Kunden und Zulieferern negativ zu Buche.

Verselbständigt sich dieser - letztlich von kulturellen Missverständnissen ausgelöste Prozess - kann sogar eine negative Spirale entstehen.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt

Die Unterschiede zwischen Deutschland und Schweden sind jedoch nicht so groß, als dass sie nicht zu überbrücken wären. Ganz im Gegenteil bergen diese Unterschiede durchaus Chancen.

Je mehr Unterschiede bewusst sind und als kulturelle Unterschiede verstanden werden, desto eher gelingt es, das Andersartige des Anderen zu akzeptieren und gegebenenfalls auch die Vorteile zu erkennen, die sich daraus ergeben können.

Denn in vielen Situationen gibt es nicht nur eine einzige Lösung, es gibt kein "richtig" oder "falsch", sondern lediglich "unterschiedliche" Lösungsansätze.

Genau darin liegt das Potenzial interkultureller Kompetenz - wir können situationsabhängig die Vorteile der jeweils anderen Kultur nutzen!

Durch gegenseitiges Verständnis und voneinander Lernen können beide Seiten profitieren.

Kulturelle Unterschiede schaffen Wettbewerbsvorteile

Dies sei an einem Beispiel über den Umgang mit Entscheidungen veranschaulicht.

MeetingIn Schweden werden Entscheidungen in der Regel im Team getroffen. Dabei wird in vergleichsweise vielen Meetings viel gesprochen, und da eine Entscheidung möglichst im Konsens getroffen werden sollte, kann der Prozess der Entscheidungsfindung einige Zeit in Anspruch nehmen.

Wenn nötig, wird die Entscheidung vertagt und später noch einmal zu einem weiteren Meeting eingeladen.

Diese Vorgehensweise empfinden Deutsche in der Regel als ineffektiv, das Vertagen der Entscheidung wird gar als Misslingen empfunden.

Schweden sehen in der gemeinsamen Entscheidungsfindung dagegen große Vorteile. Auf diese Weise wird das gemeinsame Ziel im Team verankert und von allen akzeptiert. Jeder weiß worum es geht, kann sich ganz einbringen, und sollten schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen und das zuständige Tea m-Mitglied ist gerade nicht anwesend, können die übrigen Teammitglieder schnell und unkompliziert reagieren.

In Deutschland hingegen werden Entscheidungen oft auf höheren Hierarchie-Ebenen getroffen. Die Entscheidungsfindung scheint schnell und effektiv zu funktionieren und wird dem Team mitgeteilt.

Es besteht jedoch das Risiko, dass die Entscheidung selbst und das mit ihr verbundene, gemeinsame Ziel im Team tatsächlich unterschiedlich aufgefasst und nicht von allen mitgetragen wird. Dann werden möglicherweise sogar unterschiedliche (Unter-)Ziele verfolgt und Zeit, Energie und Ressourcen werden vergeudet.

Zwei unterschiedliche Wege und Lösungsmöglichkeiten

Welche Vorgehensweise im kulturellen Vergleich letztlich effektiver ist, soll hier nicht diskutiert werden. Es geht nicht um "richtig" oder "falsch", sondern um zwei unterschiedliche Wege und Lösungsmöglichkeiten.

Neue Horizonte schaffen kreatives und innovatives Betriebsklima

Der bewusste Umgang mit solchen unterschiedlichen Lösungsansätzen und die Reflexion über eigene Denk- und Handlungsmuster sind in der Regel ein ganz persönlicher Gewinn.

Wenn es jedoch Führungskräften und Teams gelingt, diese unterschiedliche Lösungsansätze und verschiedene Denk- und Handlungsmuster situationsgerecht und zielgerichtet in den Arbeitsalltag eines Unternehmens zu integrieren, wirkt sich dies positiv auf das Betriebsklima aus, setzt kreative und innovative Energien frei und fördert so die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens in einer globalisierten Wirtschaft.


Uta Schulz, SveTys
Dieser Artikel von Uta Schulz erschien im Jahrbuch der Deutsch-Schwedischen Handelskammer.

 

Uta SchulzSveTys - Die Brücke zum nordischen Markt
Uta Schulz

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